Tagungsthema
Die Autorität des Rechts und die Herausforderungen durch den gegenwärtigen Autoritarismus
Mehr als 30 Jahre nach dem Ende des sowjetischen Herrschafts- und Wirtschaftssystems ist die anfängliche Euphorie in weiten Teilen der westlichen Welt einer deutlichen Ernüchterung gewichen. Keineswegs haben der Rechtsstaat und die freiheitliche Demokratie den damals von nicht wenigen prophezeiten unaufhaltsamen Siegeszug angetreten. Vielmehr befinden sie sich heute nach einer verbreiteten Ansicht in der Defensive, in der Krise. Manche sehen sie gar unter Druck wie seit den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr.
Zur Illustration seien beispielhaft genannt: das Abgleiten der „gelenkten Demokratie“ in Wladimir Putins Russland in ein offen autokratisches, womöglich mittlerweile diktatorisches System, das einen Angriffskrieg in Europa führt, die Errichtung eines autoritären Präsidialsystems in der Türkei, die fortbestehende Popularität von Donald Trump in weiten Bevölkerungsteilen der USA trotz oder gerade wegen seiner Verachtung für die demokratischen und rechtsstaatlichen Institutionen und Traditionen seines Landes, die zunehmende Kontrolle der Medien und der zivilgesellschaftlichen Gruppierungen in der „illiberalen Demokratie“ Viktor Orbans, der Umbau der als missliebig empfundenen Justiz durch die polnische PiS-Mehrheit und das Erstarken rechtspopulistischer und -extremistischer Parteien und Bewegungen in zahlreichen Ländern Europas, darunter auch Deutschland. Weitere Beispiele ließen sich ohne größere Schwierigkeiten anfügen. Insgesamt muss man daher für die letzten Jahre ein Wiedererstarken autoritären Denkens in der Politik diagnostizieren. Damit ist die Frage nach der Autorität des Rechts und der Stabilität des Rechtsstaats auf die Tagesordnung der Rechtsphilosophie zurückgekehrt. Was macht die Autorität des Rechts aus, wie lässt sich Rechtsstaatlichkeit bewahren oder wiederherstellen und wie lässt sie sich gegen die Versuchungen des Autoritarismus verteidigen?
Diesen Fragen will die diesjährige Tagung der Deutschen Sektion der IVR am 17. und 18. Juni 2022 in München nachgehen mit Vorträgen von Michael Baurmann (Düsseldorf), Franziska Dübgen (Münster), Klaus-Ferdinand Gärditz (Bonn), Sabrina Zucca-Soest (Hamburg), Andrei Marmor (Cornell), Laura Münkler (Würzburg) und Konstantinos Papageorgiou (Athen). Die einzelnen Vortragsthemen finden Sie im Tagungsprogramm.